Osthessische Biografien

von Dr. Stefan Alles

Vorbemerkung

Die vorliegende Sammlung von 300 Personendarstellungen auf 1791 Seiten entstand im Rahmen des Moduls zu Biographien berühmter Hessen im „Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen“. Dabei wurde exemplarisch Osthessen herausgegriffen, das sich hier mit den heutigen Landkreisen Hersfeld-Rotenburg und Fulda deckt (Grenzkarte: Wikipedia, Hessen). Diese entsprachen vor der Gebietsreform 1972-75 im Kern den Altkreisen Rotenburg, Hersfeld, Hünfeld und Fulda (Grenzen 1919/38: Historischer Atlas von Hessen, Karte 26a):

Die Auswahl der Persönlichkeiten richtet sich bei unserer Ausschnittsuntersuchung wie im Gesamtprojekt zunächst nach inhaltlichen Erwägungen. Prinzipiell relevant sind für uns demnach diejenigen Osthessen, die jenseits des familiären Spektrums für die Allgemeinheit Bedeutung erlangten. Dabei müssen sie in der Regel bereits verstorben sein, um sie aus den parteiischen Bewertungen der Gegenwart herausheben und die Quellenlage aus größerer Distanz würdigen zu können. Ihre Zugehörigkeit zum heutigen Osthessen wird durch Geburt, Wirken oder Tod/Begräbnis definiert, wobei das Wirken natürlich vielgestaltig ist. Um der folglich immensen Menge an relevanten Personen Herr zu werden, kann man sich vorerst auf die nach außen Schillerndsten beschränken.

Zu Anfang einer Sammlung von Biographien steht jedoch ebenso die Frage nach dem strukturellen Herangehen. Denn man muss nach Untersuchungsfeldern Ausschau halten, die häufig anwendbar, aber auch im Einzelfall anpassbar sind. Hierzu boten sich zunächst Persönlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts an, da man dort per se quellenbedingt viele Informationen vorfindet. Zum Aufzeigen einer gewissen Bandbreite wurden beispielhaft zehn Widerstandskämpfer, Politiker, Künstler oder Gelehrte herausgegriffen (Konrad Duden, Georg Groscurth, Robert Heil, Ewald Huth, Wilhelm Kneisel, Alfred Mozer, Jakob Nussbaum, Michael Schnabrich, Adam von Trott zu Solz, Konrad Zuse). Zur Überprüfung der Übertragbarkeit auf frühere Epochen kamen zwei hochmittel-alterliche Mönche zum Zuge, die auch als Quellen für weitere Artikel dienen – der Geschichtsschreiber Lampert von Hersfeld (vor 1028 – 1081/82) und der Urkundenkompilator Eberhard von Fulda (vor 1135 – nach 1165/68).
In dieser ersten Arbeitsphase ergaben sich einige Sparten, nach denen man sich auch bei der Anfertigung wie-terer Biographien richten kann. Sie bieten ein festes Gerüst, das über die enge Bindung an Geburt, Wirken und Tod hinausgeht. Zudem vermag man auf ihrer Grundlage weitere individuelle Untergliederungen zu ergänzen:

  • Geburt“ (Datum und Ort, häufig schon Relevanz).
  • „Familiäre Herkunft“ (Größeres Geschlecht und vor allem Kernfamilie).
  • „Ausbildung“ (im Detail: Schule, Studium, Lehrzeit).
  • „Berufseinstieg“ (alternativ „Geistlicher Aufstieg“).
  • „Familiengründung“ (teils sogar bei Geistlichen nötig).
  • „Berufliche Karriere“ (meist aufgeteilt nach Arbeitsstätten).
  • „Werk“ (bei Erfindern, Künstlern, Gelehrten und Schriftstellern).
  • „Bedeutung“ (bei den Vorgenannten, aber auch bei Herrschern).
  • „Lebensabend“ (Ruhestand/letzte Amtsjahre und Tod/Begräbnis).
  • „Gedenken“ (Selbstzeugnisse, Rezeption, Memorialkultur).

Auf dieser Grundlage ging es im zweiten Arbeitsschritt darum, systematisch die osthessische Geschichte vor dem 19. Jahrhundert mit einzubeziehen. In historischer Dimension beginnen die relevanten Biographien mit dem angelsächsischen Missionar Bonifatius (672/73-754), während zuvor um Christi Geburt die Römerzüge von Dru-sus und Germanicus gegen die auch hier siedelnden Chatten noch allein Nordhessen betrafen (siehe Vorspiel). Folglich sind die für Osthessen wichtigsten und beständigsten Personengruppen erst als Erben des Hl. Bonifatius die 66 Hersfelder Äbte von 769 bis 1606 sowie die 97 Fuldaer Äbte und dann Bischöfe von 744 bis heute. Danach boten sich als kleinere Gruppen die 9 alleinigen Fuldaer Weihbischöfe des 18. und 20./21. Jahrhunderts, die 7 Rotenburger Landgrafen von 1627 bis 1834 sowie die 13 Philippsthaler Landgrafen der dortigen Hauptlinie (7 von 1685 bis 1925) und der Barchfelder Nebenlinie (6 von 1721 bis 1954) an. Zwischendurch wurden aber auch immer mal wieder relevante Einzelpersonen eingeschoben. Insgesamt ergibt sich so zur Zeit folgendes Bild: 

  • Eingearbeitet sind nun alle 66 Hersfelder Äbte von 769 bis 1606, wobei aber Willibold traditionell doppelt zählt.
  • Ergänzt wurden der erste hessische Administrator Otto (1606 – 1617) samt Bruder-Koadjutor Moritz (1608 – 1612).
  • In Fulda sind ebenfalls nach Bonifatius selbst alle 97 Äbte und späteren Bischöfe 744/54 bis heute vorhanden.
  • In den Lücken der Fuldaer Äbte und Bischöfe wurden zwei (Unter-)Äbte (763 – 765), vier Verwalter (1246 – 1249, 1576 – 1602) und zwei apostolische Vikare (1814 – 1828) ergänzt, während dem Abt beigeordnete Pfleger fehlen.
  • Daneben erscheinen inklusive dreier späterer Fuldaer Bischöfe bereits alle 12 dortigen Weihbischöfe, welche die Jahre 1727 – 1737, 1757 – 1794 und 1945 bis heute abdecken – 1953-2002 freilich teils parallel zueinander.
  • Zudem finden sich bedeutende Mönche aus Hersfeld (Lampert von Hersfeld) und vor allem Fulda (chronologisch: Einhard, Brun Candidus, Rudolf von Fulda, Meginhart, Sunderolt, Richard I. und Eberhard von Fulda).
  • An Stiftsrittern erscheinen Simon von Haune, Fritz Stuppler, Wigand von Lüder und Philipp Wilhelm von Cornberg.
  • Von den mittelalterlichen Königen sind Konrad I. (Grab in Fulda) und Konrad (III.) (Geburt in Hersfeld) relevant.
  • An frühneuzeitlichen Gelehrten wurden Dietmar (Maul) von Meckbach, Johannes Nuhn, Adam Krafft, Friedrich Risner, Balthasar Nuß, Hermann Kirchner, Heinrich Gutberleth, Conrad Mel und Bernhard Christoph Faust bearbeitet, die auf verschiedenen Gebieten von Wissenschaft und Kultur Berühmtheit erlangten.
  • Außerdem erscheinen aus dem Haus Hessen-Rotenburg alle 7 Landgrafen (1627 – 1834) und der „Jakobinerprinz“.
  • Vom Haus Hessen-Philippsthal findet man aus der Hauptlinie alle 7 Landgrafen (1685 – 1925), zwei Prinzessinnen und eine Landgräfin sowie aus der Barchfelder Nebenlinie alle 6 Landgrafen (1721 – 1954) und einen Erbprinzen.
  • An weiteren Frauen gibt es noch Königin Gertrud von Sulzbach, „Hexe“ Merga Bien, Abtsgeliebte Margarethe von Boyneburg-Hohenstein, Heinz-Firmenmutter Anna Margaretha Schmidt und Rilke-Briefpartnerin Lisa Schmidt.
  • Zudem sind die ersten 8 von bis heute 14 Bad Hersfelder Festspielintendanten der Jahre 1951-1987 eingearbeitet.
  • Der Rest der Artikel entfällt auf 59 Honoratioren des 19. und 20. Jahrhunderts aus zahlreichen Lebensbereichen.    

Die insgesamt 300 Personen wurden in Vorspiel und Hauptteil gleichermaßen alphabetisch nach ihrem Nachnamen, sonst Vornamen, geordnet. In der Überschrift sind sie hier wie dort mit den Lebensdaten und zwei Attributen versehen. Der Schwerpunkt liegt aber natürlich auf den 298 Artikeln des Hauptteils. Um besser zu ermessen, ob unser Vorgehen ausgeglichen ist, sollen sie nun thematisch, historisch und regional eingeordnet werden. 

Zuerst geht es in einem Schaubild um Sachgruppen, wo jeder nur einmal genannt ist. Hier ergeben sich 61 alleinige Hersfelder Äbte (mit Administrator und Koadjutor) sowie 7 Doppeläbte von Hersfeld und Fulda (mit Lullus und Sturmius). In Fulda kommt man noch auf 80 Äbte (mit Bonifatius, Unteräbten und Verwaltern), 20 Bischöfe (mit Vikaren) und 9 Weihbischöfe. Dann gibt es 1 Hersfelder Mönch, 7 Fuldaer Mönche, 4 Stiftsritter, 2 Könige, 8 Rotenburger Landgrafen (mit „Jakobinerprinz“), 14 Philippsthaler Landgrafen (mit Erbprinz), 8 Frauen und 8 Festspielintendanten. Zuletzt finden sich 4 Offiziere, 10 Politiker, 5 Künstler, 3 Musiker, 10 Schriftsteller, 8 Kaufleute/Fabrikanten, 4 Handwerker/Bergleute, 13 Gelehrte/Forscher, 6 Geistliche, 5 Mediziner und 1 Sportler:

Im zweiten Schaubild sind die 298 Personen zeitlich sortiert, wobei sie dem am meisten durchlebten Jahrhundert zugeschlagen werden. Insgesamt reicht die relevante Zeitspanne vom 8. bis 20. Jahrhundert. Hier finden wir im 8. bis 10. Jahrhundert die stets wachsende Gruppe der Hersfelder und Fuldaer Äbte (mit Mönchen) ausgehend von Bonifatius (11 / 18 / 18). Deren Zahl erreicht dann mit Ergänzungen im 11. und 12. Jahrhundert ihren Höhepunkt, um im 13. wieder abzufallen (23 / 23 / 17). Im 14. und 15. Jahrhundert entdeckt man nurmehr wenige Äbte, was im 16. wieder zunimmt und um Gelehrte ergänzt wird (13 / 12 / 25). Das 17. und 18. Jahrhundert dominieren Fuldaer Äbte und (Weih-)Bischöfe sowie Gelehrte und Landgrafen (15 / 25). Die Spitze erklimmen erst das 19. und 20. Jahrhundert mit (Weih-)Bischöfen, Landgrafen, Intendanten und Honoratioren (43 / 55):

Schließlich findet sich in einem dritten Schaubild die regionale Verteilung der 298 Artikel innerhalb der heutigen Kreise Hersfeld-Rotenburg und Fulda. Dazu trennen wir die Altkreise, da sie sich je auf eine biographisch dominante Stadt bezogen, vor allem die zwei Abteiorte. Anders als bei den früheren Schaubildern sind hier einige Doppel- oder gar Dreifachtreffer möglich, so dass man auf eine Zahl von 454 statt 298 kommt. Im Detail gab es ja bis 1972-75 hauptsächlich die Altkreise Rotenburg (45), Hersfeld (171), Hünfeld (61) und Fulda (156) – Letzterer bei uns mit kreisfreier Stadt. Die nur am Rand betroffenen Altkreise (Fritzlar-)Homberg, Ziegenhain, Mel-sungen und Schlüchtern fallen dagegen kaum ins Gewicht (2 / 6 / 1 / 1). Gleiches gilt auch für den wieder kom-plett relevanten Altkreis Gersfeld (11), der schon 1932 im Osten an den Fuldaer fiel, hier aber separat erscheint:     

Zur Erstellung unserer Artikel belassen wir es vorerst bei einigen aktuellen Kurzbiographien oder Aufsätzen, die um einschlägige Internetseiten bereichert werden. Quellenpassagen sind bis auf Ausnahmen aus der Literatur zitiert oder paraphrasiert. Auf jeden Fall steht dabei eine Übersetzung. Zur Vermeidung unnötiger Weitläufigkeiten und zur Verknüpfung von Individuen wird mit Verweisen hantiert, wenn zwei bearbeitete Personen miteinander zu tun hatten (Voller Name). Quantitativ ist klar, dass zu weit bekannten Leuten mehr zu finden ist als zu lokalen Honoratioren, doch liegt der Reiz einer Biographiensammlung ja auch just im Aufspüren von Letzteren.    

Bezüglich bildlicher Darstellungen beschränken wir uns im Kern auf eine zeitgenössische Abbildung der Person. Dies läuft im 19. und 20. Jahrhundert auf ein Foto – zumindest Gemälde – hinaus, ist aber bei älteren Individuen schwieriger. Doch selbst dann liefert etwa der „Codex Eberhardi“ um 1160 auch einige Darstellungen von früheren oder gar zeitgenössischen Personen. Hinzu kommen für das Hoch- und Spätmittelalter Abbildungen von Äbten auf Münzen und Siegeln, wobei sich auch eine Betrachtung verschiedener Darstellungstypen eines Abtes anbietet. In allen Zeiten erscheint es zudem bei Künstlern sinnvoll, neben einer Personenabbildung auch einen Bildeindruck ihres Werkes zu geben. Dagegen werden weitergehende Informationen zur Biographie oder Erinnerungskultur wegen ihrer prinzipiellen Vielgestaltigkeit allein in Ausnahmefällen durch Abbildungen ergänzt.

Perspektivisch müssen natürlich die bestehenden Texte stets dem aktuellen Forschungsstand angepasst bleiben. Vor allem aber ist eine Erweiterung der Artikelzahl unerlässlich, um das Spektrum zu verbreitern. Am besten kann man hier mit in den bisherigen Artikeln erwähnten Personen beginnen und dann im Schneeballsystem fortfahren. Dies betrifft gerade auch Frauen, da es wegen unserer Vorgehensweise eben noch nicht möglich war, sie in angemessener Zahl einzuarbeiten. Daneben sind für relevante Persönlichkeiten allgemeine Jubiläumsanlässe mit Regionalbezug zu betrachten. Schließlich lohnt noch ein Blick auf Straßennamen mit lokalen Honoratioren.
Insgesamt muss am Ende der Beschäftigung mit den osthessischen Biographien eine möglichst große und thematisch vielfältige Anzahl von relevanten Persönlichkeiten beiderlei Geschlechts stehen. Dabei ist auf eine gleichmäßige Verteilung der Artikel in thematischer, chronologischer und geographischer Hinsicht zu achten. Schlussendlich müssen die Artikel verständlich gehalten sein und durch Abbildungen und Quellentexte erläutert werden.

Inhaltsverzeichnis

NameBeschreibungPDF-Datei
Nero Claudius Drusus
(38 – 9 v. Chr.)
Römischer Feldherr und Kaiserverwandter   PDF